Aktuelles
Georg Metzendorfs Margarethenhöhe
Ein Heppenheimer schreibt Baugeschichte
Zu Beginn des Jahres 1909 verließ der damals 34jährige Heppenheimer Architekt Georg Metzendorf (1874 - 1934) mitsamt seiner Familie die Bergstraße in Richtung Essen. Er war von der dortigen Margarethe Krupp-Stiftung für die Planung und Erbauung eines neuen Stadtteils beauftragt worden.
Das Projekt sollte sein Lebenswerk werden und fand als ‚Gartenvorstadt‘ allgemeine Anerkennung. Diese Siedlung mit Modellcharakter, die ‚Margarethenhöhe‘, ging in die Baugeschichte ein. Im Titel einer Publikation wird sie 1981 sogar als ‚Dichtung in Stein und Grün‘ bezeichnet.
113 Jahre später begaben sich Pia Keßler-Schül und Karlheinz Mulzer, beide Heppenheimer Stadtführer, auf die Reise ins Ruhrgebiet, um sich vor Ort zu überzeugen, ob der allgemein gute Ruf einer kritischen Inaugenscheinnahme vor Ort standhält. Und beide waren begeistert. Die erstaunlichste Beobachtung war sicherlich die, dass das gesamte Siedlungsensemble wie eine gewachsene Ortschaft erscheint. Die Hügellage umgeben von tiefen bewaldeten Taleinschnitten schafft zusätzlich ein besonderes Flair - mit dem zentralen Markplatz ‚Kleiner Markt‘ als Orientierungspunkt der Ansiedlung.
In einer Vortragsveranstaltung am 17.03.2023, die der Heppenheimer Geschichtsvereins gemeinsam mit den Altstadtfreunden und der Stadt Heppenheim organisierte, nahmen Pia Keßler-Schül und Karlheinz Mulzer das zahlreich erschienene Publikum mit auf die Margarethenhöhe. Sie berichteten von ihren Erfahrungen, illustriert mit vielen Fotos, und beschrieben in einer Art Zeitreise die bauliche Entwicklung und das Leben der Protagonisten Georg Metzendorf und Margarethe Krupp.
Ausgangssituation für Errichtung der Margaretenhöhe war die dramatische Wohnungsnot im urbanen Raum am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Hundertausende zog es in Industriestädte, wo es an geeigneten Wohnungen an allen Ecken und Enden fehlte - gerade für Geringverdiener. Margarethe Krupp (1854 - 1931), Witwe und damalige Firmenchefin des Krupp-Konzerns, wollte 1906 mit der Gründung einer Stiftung zur Schaffung von Wohnraum für ‚Minderbemittelte‘ zur Linderung des Problems beitragen. Nach dem sie 50 Hektar landwirtschaftliche Fläche erworben und der Stadt Essen als Schenkung zur Verfügung gestellt hatte, sollte ein Stadtteil im Südwesten mit Ein- und Mehrfamilienhäusern entstehen.
Georg Metzendorf lieferte hierfür das überzeugendste Konzept. Als Beleg diente ein Kleinwohnungsbau bei einer Gebäudeausstellung auf der Darmstädter Mathildenhöhe (1908). Er hatte dieses Wohnhaus so effizient wie damals möglich errichtet. Diese architektonische Vorlage war enorm wichtig, denn auch die neue Siedlung sollte unter der Prämisse sogenannter ‚Billigkeit‘ bei gleichzeitig bestmöglichem Wohnkomfort erbaut werden, allein schon um die Mieten niedrig zu halten. Zugleich verfügte Georg Metzendorf über Erfahrungen im Umgang mit topografisch schwierigem Gelände, die er als Büroleiter seines älteren Bruders Heinrich beim Bau des Höhnsches Viertel in Heppenheim erworben hatte.
Noch Ende des Jahres 1909 wurden vor Ort in Essen heftige Bautätigkeiten aufgenommen. Innerhalb von sieben Jahren waren über 60 % der Gebäude errichtet: zweistöckige Wohnhäuser, als Ein- oder Mehrfamiliengebäude ausgeführt. Die Kostenersparnis wurde durch Typisierung und Standardisierung der Bauelemente erzielt. Jede Wohnung erhielt das gleiche Koch-, Heiz- und Klimasystem namens Druna. Auch war der Grundriss bei allen Wohnungen gleich, erweitert um die Anzahl an Zimmern. Variabel waren dagegen Größe und die Außenhaut der Gebäude. Haustüren, Dachgauben, Giebel wurden abwechslungsreich verändert. Die Begrünung kam in Siedlung durch den Garten, über den jede Wohnung verfügte, über den Bewuchs der meisten Gebäude mit ‚wildem Wein‘ und über zahlreiche Baumpflanzungen. Die bei der Exkursion gemachten Fotos demonstrierten den Zuhörern, dass die Margarethenhöhe Metzendorfs Gestaltungskonzept bis heute bewahrt hat.
Die Stifterin Margarethe Krupp verstarb 1931. Zu ihren Ehren wurde die Siedlung nach ihr benannt. Auch wurden der Marktplatzbrunnen sowie die Skulptur der ‚Säerin‘ auf einem Platz vor der Schule Margarethe Krupp gewidmet. Nur drei Jahre später endete das Leben Georg Metzendorfs, der mit seinem architektonischen Schaffen nicht nur die Margarethenhöhe, sondern auch mit bedeutenden Gebäuden die Essener Innenstadt geprägt hat. Unweit seiner Siedlung ‚Margarethenhöhe‘ fand er sein Grab. Seine Lebensleistung fand ebenso große Anerkennung. Die längste Straße des Stadtviertels wurde nach ihm benannt.
Eine Landhausvilla wird gebaut
‚Wolfgang Schwab präsentiert historische Fotos zum Bau der Villa Kappeleck‘
Manchmal ist es seltsam, was einem der Zufall in die Hände spielt. Bei Wolfgang Schwab waren es dreizehn kleine Glasplatten, die sich als Fotonegative entpuppten. Und da einige von ihnen mit einem Datum versehen waren, hatte er gleich eine Ahnung, dass etwas Besonderes abgelichtet worden war.
Tatsächlich, nach Entwicklung und Digitalisierung zeigen elf der Fotografien Bauabschnitte der Erbauung der Villa Kappeleck, der vielleicht schönsten Metzdorf-Villa auf der „Kappel“ im Höhnschen Viertel (Merianstr. 8, Heppenheim) im Jahr 1900. Einzigartige Aufnahmen.
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe anlässlich des 100. Todestages von Heinrich Metzendorf konnte Wolfgang Schwab diese Fotodokumente erstmalig öffentlich beim Vortrag von Pia Kessler-Schül und Karlheinz Mulzer zu Georg Metzendorfs Margarethenhöhe am 17.03.2023 vorstellen. Organisiert hatte den Vortragsabend der Heppenheimer Geschichtsvereins in Kooperation mit den Altstadtfreunden und der Stadt Heppenheim. Angeregt hatte die Präsentation Pia Kessler-Schül.
Bauherr der Villa Kappeleck war der Brauereidirektor Georg Neff. Die Architekturplanung erfolgte durch das Büro Heinrich Metzendorf im Rahmen der Gesamtkonzeption des Höhnschen Viertels. Die erste Fotoaufnahme, mit „31.7.1900“ datiert, zeigt den Rohbau in einer frühen Phase. Der Ausbau des Kellers war gerade begonnen worden. Auf der Baustelle lagern Bruchsteine und Ziegelsteine. Das letzte Bild mit dem Datum „3.11.00“ ist das achte Foto. Hier ist der Rohbau bereits abgeschlossen, das zugehörige Kutscherhaus etwas oberhalb ebenso. Das allerletzte Foto der Serie dürfte im Januar oder Februar 1901 nach erfolgtem Gerüstabbau gemacht worden sein.
„Die Arbeitssituation und die Arbeitssicherheit waren damals völlig anders als heute“, so Wolfgang Schwab. Das Holzgerüst war windschief und in einfacher Weise aufgestellt. Auch war eine angestellte Leiter nur notdürftig geflickt. Maschinen gab es keine, lediglich eine Schubkarre erleichterte den Materialtransport. Ohne Sicherung versammelten sich die Dachdecker, wie auf dem Foto Nr. 8 zu erkennen, unbekümmert auf dem First des steilen Satteldachs.
Auf drei der Aufnahmen haben sich Handwerker aller Gewerke versammelt, dazu auf dem Bild Nr. 6 eine kleine gutgekleidete bürgerliche Gesellschaft. Darunter vermutlich auch der Bauherr Georg Neff. Schwab: „Ein echtes Zeugnis der Zeit um die Jahrhundertwende und außerdem auch eine präzise Dokumentation der damaligen Bauweise.“ In nur fünf Monaten war der Rohbau inklusive der Dacheindeckung erstellt worden. Die Kosten der Bauerstellung dürften ungefähr 30.000 Mark betragen haben, etwas das Zehnfache des Jahresgehaltes eines einfachen Beamten.
Der Bauherr Georg Neff hat neben dem Landhaus Heppenheim ein weiteres Erbe hinterlassen, wenn auch ein akustisches. Nach Einweihung der direkt unterhalb der Villa Kappeleck gelegenen Kirche St. Peter im Jahre 1904 ermöglichte Georg Neff und seine Frau Anna durch eine Spende den Guss der mit 3,5 Tonnen größten Glocke des Heppenheimer Geläuts. Diese wurde nach der Stifterin Anna-Glocke benannt und ist im Südturm montiert.
Die Villa Kappeleck, die erst vor wenigen Jahren saniert wurde, sah im Laufe der Zeit einige Bewohner, darunter auch der Sohn des Nobelpreisträgers Wilhelm Ostwald, Walter Ostwald. Der Chemiker arbeitete an der Zusammensetzung von Kraftstoffen für Automobile. Auch die Notwendigkeit von Katalysatoren zur Entgiftung der Abgase erkannte er. Ob dies der Grund ist, warum der jetzige Besitzer der Villa Kappeleck ein ehemaliger Autorennfahrer sein soll?
Podcasts des Heppenheimer Geschichtsvereins
„Heppenheimer Geschichte und Geschichten“
Die Podcast Reihe des Heppenheimer Geschichtsvereins startet.
Führung jüdischer Friedhof und ehemalige Synagoge in Hemsbach
Über zwanzig Teilnehmer machten sich zur Exkursion des Heppenheimer Geschichtsvereins am Sonntag, 12.3.2023 auf den Weg nach Hemsbach. Unter fachkundiger Führung von Albrecht Lohrbächer, Vorsitzender des Fördervereins „Ehemalige Synagoge Hemsbach“ ging es zunächst auf den Jüdischen Friedhof.
Mit über tausend Grabsteinen ist einer der größten erhaltenen Friedhöfe Baden-Württembergs und wurde 1674 erstmals erwähnt. Seit 1716 wurde der Friedhof von dreizehn Gemeinden entlang der Bergstraße und in der Rheinebene, die sich zu einem Begräbnisverein zusammengeschlossen hatten, als Verbandsfriedhof geführt. Die älteste Grabstelle mit lesbarer Inschrift datier auf 1682. Die letzte Beerdigung fand am 15. 4. 1941 statt. Nach der vollständigen Deportation Juden der Bergstraße wurde der Friedhof 1942 geschlossen. Der Friedhof ist heute weitestgehend in seinem ursprünglichen Zustand erhalten, da Verhandlungen während des Krieges mit einem Steinmetz nicht zum Abschluss kamen.
Im zweiten Teil der Führung wurde die Alte Synagoge und das ehemaligen Badhauses, der Mikwe, in der Hemsbacher Ortskern besichtigt. Auch hier hat uns Albrecht Lohrbächer, der maßgeblich zur Sanierung beitrug, eindrücklich und umfassend die Geschichte der ehemaligen Synagoge vermittelt. Erneut waren es besondere Umstände, die zum Erhalt der Gebäude beitrugen. Eine Sprengung oder Abbrennen war nämlich aufgrund der engen Bebauung nicht möglich. Die ehemalige Synagoge ist heute eine Begegnungsstätte und wird für kulturelle Veranstaltungen genutzt.
Zum Abschluss des Tages fanden sich die Teilnehmer in der Zehntscheuer ein und zusammen konnten die vielen neuen Eindrücke und Informationen in geselliger Runde geteilt werden.
Ein neues Familienbuch für Heppenheim
Heppenheimer Geschichtsverein stellt Band V der Heppenheimer Sippenbücher vor.
Wer weiß schon, dass ein bedeutender Pflanzenzüchter und Staatspreisträger der DDR aus Heppenheim stammte? Sein Name: Franz Johann Vettel, geboren 1894. Nachzulesen im neuesten Band der Heppenheimer Sippenbücher. Nach langer Vorbereitung ist nun der fünfte Band dieser Buchreihe erschienen.
Bearbeiter sind Helmut Becker, der verstorbene Kirchenarchivar von St. Peter in Heppenheim, und Hans Joachim Büge, der auch Herausgeber im Auftrag des Heppenheimer Geschichtsverein e.V. ist. Der neueste Band der Heppenheimer Sippenbücher deckt die Jahre 1881 bis 1900 ab. Auf ca. 560 Seiten werden die familiären Ereignisse wie Eheschließungen, Geburten und Todesfälle für Heppenheim und seine Stadtteile Erbach, Kirschhausen, Sonderbach und Wald-Erlenbach verzeichnet. Die Daten für Hambach fehlen: hier wurden ab 1876 eigene Kirchenbücher geführt.
Grundlage des Buches sind die Kirchenbücher der katholischen Kirchengemeinde St. Peter, ergänzt und erweitert durch die Dokumente der Standesämter von Heppenheim, Kirschhausen (für die damaligen Gemeinden Erbach, Kirschhausen, Sonderbach und Wald-Erlenbach) sowie Ober-Laudenbach. Das neue Heppenheimer Sippenbuch vereint also beide Quellen: Kirchenbücher und Dokumente der Standesämter sowie Ergänzungen aus den Familienbüchern umliegender Orte.
2201 Familiennummern umfasst das Buch, beginnend mit dem Namen Achenbach und endend bei Zöller. Wichtigster Bestandteil sind die Eheschließungen und die Kinder dieser Verbindungen bis zum Jahr 1909. Ihre Personendaten wurden, soweit dies möglich und auf Grund der Schutzfristen zulässig war, ebenfalls erfasst. Neu ist die Auswertung der Abmeldebücher der Gemeinde Heppenheim.
Sie klären oft den Verbleib Heppenheimer Bürger und geben einen Einblick in die Bemühungen der Einwohner, ihre Lebenssituation zu verbessern. Viele junge Frauen suchten in den umliegenden Städten und Gemeinden eine Stellung, meist als Haus- oder Dienstmädchen.
Blättert man durch die Seiten des im festen Einband sorgfältig gebundenen Buches, so fällt in der Fülle der Einträge manches Schicksal auf. Besonders die beiden Weltkriege haben viele Opfer gefordert. Aber auch zahlreiche Abwanderungen in die ganze Welt lassen sich finden. Allerdings hatte die Auswanderung aus Deutschland ihren Höhepunkt bereits vorher erreicht.
V.l.n.r. Manfred Bräuer Geschichtsverein, Reiner-Erich Dören Archiv St. Peter, Katrin Rehbein Archiv der Stadt Heppenheim, Rainer Burelbach Bürgermeister der Stadt Heppenheim, Hans Joachim Büge Geschichtsverein
Foto: Bernd Sterzelmaier
Vortrag „Volksversammlung, Gefechte und Gefängnis Heppenheim und das Ende der Revolution von 1848/49“
am 15. Oktober 2022
Der Geschichtsverein beteiligt sich an städtischen Veranstaltungsreihe zum Jubiläum 175 Jahre Heppenheimer Versammlung vom 9. bis 16. Oktober mit einem Vortrag des Vorsitzenden, Dr. Karl Härter. Unter dem Thema „Volksversammlung, Gefechte und Gefängnis: Heppenheim und das Ende der Revolution von 1848/49“ stellt Karl Härter am Samstag, 15. Oktober 2022, 19 Uhr, im Marstall des Kurmainzer Amtshofs Heppenheim als ein Schauplatz der Niederschlagung der demokratischen Bewegung vor. Mit der Volksversammlung von Ober-Laudenbach, dem Heppenheimer Gefecht und der Inhaftierung von Demokraten wie Alexander Büchner im Halben Mond behandelt der Vortrag Ereignisse des Jahres 1849, die das Ende der Revolution markieren.
Das komplette Programm zur Festwoche „Auf dem Weg zur Demokratie 1848/49“ in Heppenheim vom 9. Oktober bis 16. Oktober 2022 können Sie hier einsehen.
Tag des offenen Denkmals 2022
Pressebericht im Starkenburger Echo vom 12.09.2022