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92jähriger Kalifornier Russel Floyd Emery besucht seinen Urgroßcousin Richard Helmling

Hans Joachim Büge und Manfred Bräuer, Mitglieder des Geschichtsvereins, unterstützen die Familienzusammenführung

Vor 22 Jahren war Russel Floyd Emery auf der Suche nach seinen Vorfahren zum ersten Mal in Erbach. Jahre zuvor hatte er zusammen mit seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau mit der Familien- und Ahnenforschung begonnen. Sein Urgroßvater Adam Röhrig (in den Vereinigten Staaten auch Rohrich, Rohrig etc.) war 1853 in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Schwierig gestaltete sich die Suche nach der Herkunft, war diese in unterschiedliche Quellen auch nicht eindeutig angegeben. Letztendlich konnte mit Hilfe von Kirchen- und Stadtarchiv sowie von Hans Joachim Büge, der im Auftrag des Heppenheimer Geschichtsvereins die neueren Heppenheim Sippenbücher bearbeitet und herausgegeben hat, die Herkunft Adam Röhrigs aus der Gemeinde Erbach ermittelt werden.

Die Ergebnisse seiner Forschungen hielt „Russ“ in seinem Buch „Franz Röhrig and Katharina Elisabeth Antes / Their Descendants and Ancestors“ auf über 350 Seiten fest. Manfred Bräuer konnte zuletzt im letzten Jahr für Russel Emery einige Ergänzungen und Korrekturen zu diesem Buch liefern. Unter anderem ermittelte Bräuer auch das Anwesen, aus dem der Auswanderer Adam Röhrig stammte. Er und seine ebenfalls nach Amerika ausgewanderten Geschwister Michael, Katharina und Philipp stammten aus dem Anwesen Ortsstraße 24 (Helmling) im Erbacher Unterdorf.

Das spätere Hofgrundstück war bei der Aufstellung des Liegenschaftskatasters 1836 noch nicht bebaut. Es wurde spätestens 1842 aus der Erbteilung unter den Geschwistern von Wilhelm Antes II. gebildet. Katharina Elisabeth Antes, ab 1833 mit Franz Röhrig verheiratet, erhielt des westlichsten Teil des an der Dorfgasse gelegenen Grundstücks. Im Flurbuch von 1827 wird der aus Sonderbach stammende Schmied Franz Röhrig 1843 als Eigentümer eines einstöckigen Wohnhauses, einer Scheuer und einer Stallung im Gesamtwert von 250 Gulden nachgewiesen. Es ist folglich von einer Erstbebauung spätestens um 1842/1843 auszugehen. Noch im Jahr 1869 wird Franz Röhrig als Eigentümer geführt, 1871 wird er von seinem Schwiegersohn Johann Helmling II. abgelöst. Seitdem ist das Anwesen im Besitz der Helmlings.

Anfang April war es so weit, Russ kam mit seinem Sohn Michael und Schwiegertochter Kathleen nach einem über 13-stündigen Flug aus Kalifornien nach Heppenheim, wo sie von Hans Joachim Büge, dem Herausgeber der neuesten Heppenheimer Sippenbücher, und Manfred Bräuer, Heimat- und Familienforscher begrüßt wurden. Beide sind Mitglieder im Heppenheimer Geschichtsverein.

Am nächsten Tag folgte die von Russ heiß ersehnte Fahrt nach Erbach zum „ancestral home“, wo die Besucher von der Familie Helmling freundlich aufgenommen wurden. Bewegend war das Zusammentreffen der beiden Urgroßcousins Richard Helmling und Russel Emery, die sich trotz sprachlicher Barrieren sehr gut verstanden – Hans Joachim Büges Übersetzungskünste halfen dabei. „Es ist kaum zu glauben, dass unsere Reise den Besuch meines neu gefundenen Cousins ermöglichte“, bekannte Russ hocherfreut. Sehr interessant war für ihn zu sehen, wie und wo seine Vorfahren gearbeitet und gelebt hatten. Erstaunt zeigte sich Russ, dass das Haus bis heute im Familienbesitz ist.

 
 

Jubiläums-Galgenwanderung „800 Jahre Centgericht auf dem Landberg bei Heppenheim“ - Fortsetzung

Wie Härter anhand von Quellen demonstrierte, stellte der Scharfrichter dort mehrfach Delinquenten an den Pranger. Die nächste Station war der ehemalige Standort des Heppenheimer Diebsturms an der Ecke Hinterer Graben/Siegfriedstraße. Zwar ist der Diebsturm nicht mehr erhalten, aber anhand zeitgenössischer Zeichnungen konnte Härter erläutern, wie dort Untersuchungshäftlinge „eingelocht“ wurden. Von dort ging es zum Kurmainzer Amtshof, in dessen Saalbau Verhöre und auch die Folter – im „Armeesünderstübchen“ des Kapellenturms – durchgeführt wurden. Anhand einer noch erhaltenen Verhörprotokolls des H.N. Engelhard aus dem Jahr 1688 wurde der Ablauf eines Verhörs in einem Ehebruchs- und Inzestfall nachvollzogen. Eine ebenfalls noch erhaltene Rechnung des Scharfrichters von 1758 über die Folterung von fünf Mitgliedern einer sog. „Zigeunerbande“ machte nachvollziehbar, mit welchen grausamen Methoden Delinquenten verhört wurden, um Geständnisse und Informationen zu erzwingen. Von der Altstadt aus führt die Wanderung zum Landberg, wo zunächst der an der B 3 stehende „Streitstein“ besichtigt wurde. Dabei handelt es sich um ein im Jahr 1600 in Stein gemeißelten Urteil des Pfälzer Kurfürsten im „Wäppnerstreit“ zwischen Bensheim und Heppenheim, bei dem es um die Übergabe und Überführung von Delinquenten zum Landberg ging. Auf dem Landberg, dem Sitz des Centgerichts, angekommen, informierte Härter anhand großformatiger Abbildung von Originalquellen zunächst über den Charakter des Landbergs als Gerichtsstätte, die Struktur des Gerichts, dessen Hegung (Eröffnung und Ablauf des Verfahrens) und das Weistum von 1430, die älteste Rechtsgrundlage des Centgerichts. Den Ablauf eines Gerichtsverfahrens wurde dann für die Teilnehmer unmittelbar erfahrbar: Mitglieder des Geschichtsvereins und Gästeführerinnen und Gästeführer spielten Szenen aus „Der letzte Endliche Rechtstag des Centgerichts auf dem Landberg: Verfahren und Hinrichtung des Niklas Dörsam am 6. Dezember 1799“. Karl-Heinz Trares als Delinquent Niklas Dörsam, Detlev Kaiser als Richter und Thilo Hanssen als Schöffe des Centgerichts, Inge Schäffauer als Opfer und Zeugin Lückhaupt, Andrea Hanssen als Margaretha Dörsam, Mutter des Delinquenten, und Karl Härter als Scharfrichter und Erzähler beeindruckten die Teilnehmer auf dem Landberg durch eine authentische Vorführung nach Originalquellen in zeitgenössischen Kostümen. Nachdem der Stab über Dörsam gebrochen war, ging es weiter zum ehemaligen Hinrichtungsplatz auf der Gemarkungsgrenze von Heppenheim und Bensheim am Fuß des Hemsbergs. Dort liegt auch der „Galgenacker“, auf dem die Hingerichteten verscharrt wurden. Härter konnte aus eigenen Erfahrungen über das Auffinden mehrerer Skelette im Jahr 2002 berichten. Über den noch erhaltenen Galgenweg begaben sich die Teilnehmer auf den östlich der B 3 liegenden Hinrichtungsplatz, von dem noch Reste erhalten und dessen Lage unmittelbar über der Landstraße/B 3 noch gut nachvollziehbar ist. Im oberen Bereich des Hinrichtungsplatz, wo sich auch der Galgen befand, informierte Härter über den Ablauf von Hinrichtungen und den Vollzug von Galgen- und Schwertstrafen: weibliche Delinquentinnen (Kindsmörderinnen) wurden meist enthauptet, männliche Diebe und Räuber wurden erhängt und blieben z.T. Jahre am Galgen hängen. Anhand einzelner Fälle und erhaltener Originaldokumente – wie z.B. einer „Heirat unter dem Galgen“ im Jahr 1726 oder der Massenhinrichtung von acht Mitgliedern einer „Räuberbande“ – konnten die Teilnehmer die vormoderne Praxis der Strafjustiz des Centgerichts Starkenburg auf dem Landberg anschaulich – und teils mit Schaudern – nachvollziehen. Die „Galgenwanderer“ dankten mit anhaltendem Applaus für die Jubiläums-Galgenwanderung „800 Jahre Centgericht auf dem Landberg bei Heppenheim“.

 

Podcasts des Heppenheimer Geschichtsvereins

„Heppenheimer Geschichte und Geschichten“

Die Podcast Reihe des Heppenheimer Geschichtsvereins.

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