Aktuelles
Exkursion nach Seligenstadt
Sonntag, 3. September 2023
Die Netzfäden der karolingischen und kurmainzischen Geschichte breiten sich in unserer Region auch auf eine besondere Stadt am Main aus: Seligenstadt. Im Jahr 815 gelangte dieser Ort, zu dieser Zeit noch Obermuhlinheim genannt, in den Besitz von Einhard (770-840; Gelehrter und Laienabt), der dort die Errichtung eines Benediktiner-Klosters einleitete. Die Schenkungsurkunde von Ludwig dem Frommen an Einhard findet sich im Lorscher Codex. Die bauliche Gestaltung der heutigen Einhards-Basilika fußt auf der Gründungszeit und mag mit ihren drei Türmen, Westwerk und oktogonaler Vierungsturm, auch eine Vorlage für den Heppenheimer ‚Dom‘ gewesen sein.
Um dies alles genau zu ergründen, machte sich der Heppenheimer Geschichtsverein auf zur Exkursion in die Stadt am Main. Mit dem Zug ging es über Darmstadt und Babenhausen pünktlich und ohne Verzögerung nach Seligenstadt. Bei der anschließenden Stadtführung zeigte es sich, dass Seligenstadt stets ein wichtiger Ort der Handelswege war und von daher selbstbewusst gegenüber den Mainzer Kirchenfürsten auftreten konnte. Heute weist die Feier des Geleits, der letzten Station der Kaufmannszüge aus Augsburg und Nürnberg vor Frankfurt und der damit verbundene Wechsel von kurmainzischen zu Frankfurter Geleit, auf die besondere Bedeutung. In der der traditionsreichen Gasstätte 1744 inmitten des Fachwerk-Ambientes der Altstadt kam für die Exkursionsgruppe auch die kulinarische Seite nicht zu kurz. In der sich anschließenden Konvent-Führung der ehemaligen Benediktinerabtei bekam die Gruppe sehr eindrücklich das Leben und Arbeiten in einem Kloster der Barockzeit vermittelt, das mit Prunk und Pracht seine Bedeutung unterstrich.
Beeindruckend war auch die an diesem Tag mögliche Besichtigung der liebevoll restaurierten Klostermühle mit ihren drei Mahlgängen. Das Innenleben der Mühle, die sichtbare Umsetzung der Wasserkraft auf das Mahlwerk, das Rütteln des Einfülltrichters und des Mehlsiebs waren hautnah zu erleben – und zu hören. Und auch das Wesen eines ‚Kleiekotzers‘ ist den Teilnehmern der Exkursion jetzt geläufig.
Schließlich galt es noch eine Legende zu überprüfen, die in Heppenheim bei den Laternenführungen gerne vorgetragen wird, die Erzählung von Einhard und Imma, letztere der Legende nach die Tochter Karls des Großen. Dieses liebende Paar habe seine letzte Ruhe in Seligenstadt gefunden. Dichtung oder Wahrheit? Darüber und über die vielen Eindrücke des Tages konnten die Teilnehmer auf der Heimfahrt nach Heppenheim sinnieren.
Galgenwanderung
Der Heppenheimer Geschichtsverein veranstaltete mit dem FC Starkenburgia im Juni 2023 eine Galgenwanderung. Der Vorsitzende Prof. Dr. Karl Härter führte die Fußballer zu den historischen Stätten von Verbrechen, Gerichtsbarkeit und Strafen in Heppenheim. Einen ausführlichen Bericht mit Fotos finden Sie hier:
Deutscher Mühlentag, Pfingstmontag, 29.05.2023
Heppenheim war jetzt mit seinem Heppenheimer Mühlenrundweg zum vierten Mal als einer von 33 hessischen Teilnehmern am bundesweit stattfindenden Deutschen Mühlentag mit dabei. Angeboten wurden mehrere Aktionen rund um das Thema Mühlen. Mit Hermann Müller startete eine zweistündige Mühlenführung „Wo einst die Mühlen klapperten“ am frühen Nachmittag. Auf einer 2,5 km langen Teilstrecke des Mühlenrundwegs ging es durch die Heppenheimer Altstadt und die Obere Vorstadt zu 6 Standorten ehemaliger Mühlen, zu stolzen Wohnhäusern einstiger Müller, zu einem teilweise wieder freigelegten Mühlgraben und zu weiteren Zeugnissen der großen Heppenheimer Mühlengeschichte.
Die Gesamtstrecke des Mühlenrundwegs beträgt insgesamt etwa 6,5 km und führt zu 12 von einst über 80 Mühlenstandorten mit etwa 130 Mühlen. Interessierte wurden am Pfingstmontag nicht nur an die Mühlen, sondern auch an das Müllerhandwerk und die Müller erinnert. Die Müller spielten über viele Jahrhunderte eine bedeutende Rolle in Heppenheim. Die Stadt mit ihren Stadtteilen hatte nicht nur eine außerordentlich hohe Anzahl von Mühlen, sondern überrascht auch durch die große Vielfalt der Funktionalität, Antriebskraft und Betriebsweise. Damit war Heppenheim eine ausgeprägte Mühlenhochburg. Zu den Mühlen gehörten die Mühlenbesitzer und Mühlenpächter, die Müller mit ihren Familien, Knechte und Mägde. Mühlärzte (Mühlenbauer) waren für Bau und Unterhaltung im Einsatz. Mehr als 1500 Müller - davon etwa 1000 bereits namentlich ermittelt - gingen im Laufe der Zeit auf diesen Mühlen ihrer anstrengenden Arbeit nach. Die Mühlen waren damit wichtige Arbeitgeber und hatten eine erhebliche wirtschaftliche und soziale Bedeutung. Müller-Familien (im Sinne von Müller-Sippen), auch regelrechte Müller-Dynastien, entstanden, die über viele Generationen eine oder mehrere Mühlen betrieben. Zumeist waren die Mühlen durch das Wasser der Bäche angetriebene Mahlmühlen (mindestens 44). Aber auch Schneid-, Schleif-, Öl- und Lohmühlen und sogar eine Pulvermühle waren vorhanden.
Mit dem Rundgang und dem Besuch einiger ehemaliger Standorte wird eine über 800-jährige Mühlengeschichte lebendig gehalten. Für die Kinder wurde eine „Mühlenführung“ von ca. 1,5 Stunden angeboten. Unter sachkundiger Führung von Pia Keßler-Schül und Karlheinz Mulzer konnten die Kinder Wissenswertes über das alte Handwerk kennenlernen.
Eine Landhausvilla wird gebaut
‚Wolfgang Schwab präsentiert historische Fotos zum Bau der Villa Kappeleck‘
Manchmal ist es seltsam, was einem der Zufall in die Hände spielt. Bei Wolfgang Schwab waren es dreizehn kleine Glasplatten, die sich als Fotonegative entpuppten. Und da einige von ihnen mit einem Datum versehen waren, hatte er gleich eine Ahnung, dass etwas Besonderes abgelichtet worden war.
Tatsächlich, nach Entwicklung und Digitalisierung zeigen elf der Fotografien Bauabschnitte der Erbauung der Villa Kappeleck, der vielleicht schönsten Metzdorf-Villa auf der „Kappel“ im Höhnschen Viertel (Merianstr. 8, Heppenheim) im Jahr 1900. Einzigartige Aufnahmen.
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe anlässlich des 100. Todestages von Heinrich Metzendorf konnte Wolfgang Schwab diese Fotodokumente erstmalig öffentlich beim Vortrag von Pia Kessler-Schül und Karlheinz Mulzer zu Georg Metzendorfs Margarethenhöhe am 17.03.2023 vorstellen. Organisiert hatte den Vortragsabend der Heppenheimer Geschichtsvereins in Kooperation mit den Altstadtfreunden und der Stadt Heppenheim. Angeregt hatte die Präsentation Pia Kessler-Schül.
Bauherr der Villa Kappeleck war der Brauereidirektor Georg Neff. Die Architekturplanung erfolgte durch das Büro Heinrich Metzendorf im Rahmen der Gesamtkonzeption des Höhnschen Viertels. Die erste Fotoaufnahme, mit „31.7.1900“ datiert, zeigt den Rohbau in einer frühen Phase. Der Ausbau des Kellers war gerade begonnen worden. Auf der Baustelle lagern Bruchsteine und Ziegelsteine. Das letzte Bild mit dem Datum „3.11.00“ ist das achte Foto. Hier ist der Rohbau bereits abgeschlossen, das zugehörige Kutscherhaus etwas oberhalb ebenso. Das allerletzte Foto der Serie dürfte im Januar oder Februar 1901 nach erfolgtem Gerüstabbau gemacht worden sein.
„Die Arbeitssituation und die Arbeitssicherheit waren damals völlig anders als heute“, so Wolfgang Schwab. Das Holzgerüst war windschief und in einfacher Weise aufgestellt. Auch war eine angestellte Leiter nur notdürftig geflickt. Maschinen gab es keine, lediglich eine Schubkarre erleichterte den Materialtransport. Ohne Sicherung versammelten sich die Dachdecker, wie auf dem Foto Nr. 8 zu erkennen, unbekümmert auf dem First des steilen Satteldachs.
Auf drei der Aufnahmen haben sich Handwerker aller Gewerke versammelt, dazu auf dem Bild Nr. 6 eine kleine gutgekleidete bürgerliche Gesellschaft. Darunter vermutlich auch der Bauherr Georg Neff. Schwab: „Ein echtes Zeugnis der Zeit um die Jahrhundertwende und außerdem auch eine präzise Dokumentation der damaligen Bauweise.“ In nur fünf Monaten war der Rohbau inklusive der Dacheindeckung erstellt worden. Die Kosten der Bauerstellung dürften ungefähr 30.000 Mark betragen haben, etwas das Zehnfache des Jahresgehaltes eines einfachen Beamten.
Der Bauherr Georg Neff hat neben dem Landhaus Heppenheim ein weiteres Erbe hinterlassen, wenn auch ein akustisches. Nach Einweihung der direkt unterhalb der Villa Kappeleck gelegenen Kirche St. Peter im Jahre 1904 ermöglichte Georg Neff und seine Frau Anna durch eine Spende den Guss der mit 3,5 Tonnen größten Glocke des Heppenheimer Geläuts. Diese wurde nach der Stifterin Anna-Glocke benannt und ist im Südturm montiert.
Die Villa Kappeleck, die erst vor wenigen Jahren saniert wurde, sah im Laufe der Zeit einige Bewohner, darunter auch der Sohn des Nobelpreisträgers Wilhelm Ostwald, Walter Ostwald. Der Chemiker arbeitete an der Zusammensetzung von Kraftstoffen für Automobile. Auch die Notwendigkeit von Katalysatoren zur Entgiftung der Abgase erkannte er. Ob dies der Grund ist, warum der jetzige Besitzer der Villa Kappeleck ein ehemaliger Autorennfahrer sein soll?
Podcasts des Heppenheimer Geschichtsvereins
„Heppenheimer Geschichte und Geschichten“
Die Podcast Reihe des Heppenheimer Geschichtsvereins.