Die Gebrüder Hirsch - erfolgreiche Bankiers in London, Stifter der Synagoge und Heppenheimer Ehrenbürger

von Dr. Hermann Müller

Aus einer schon vor 1760 in Heppenheim ansässigen jüdischen Kaufmannsfamilie stammen die Brüder Leopold, Adolph und Heinrich Baruch Hirsch, die als „Gebrüder Hirsch“ einen Teil der Geschichte Heppenheims mitprägten. Sie sind Söhne von Baruch Hirsch II, einem Tuch- und Weinhändler und seiner Frau Mina (Minche) geb. Mayer. Baruch Hirsch II wohnte am Marktplatz in dem 1892 durch Brand zerstörten Fachwerkhaus Ecke Großer Markt und Schunkengasse.

Leopold Hirsch wurde am 30. März 1857 in Heppenheim geboren. Er wanderte 1877 nach London aus, war schon 1881 ein Angestellter an einer Börse und 1890 ein Börsenhändler. 1890 wurde er britischer Bürger und heiratete Matilda Frances Seligman. 1901 lebte er im Haus 10 Kensington Palace Garden in London mit seiner Familie, einer Gouvernante und 10 Dienern. Im Ruhestand machte er jährlich – unterbrochen durch die Kriegsjahre – Reisen besonders nach New York, aber auch nach Chile und Argentinien. Er starb am 13. September 1932 in Brighton im Hotel Metropole als vielfacher Millionär. Im Verordnungs- und Anzeigeblatt (dem Vorläufer des Starkenburger Echos) wurde anläßlich seines Todes geschrieben: „Hirsch, der völlig mittellos als Zwanzigjähriger aus Deutschland in England eingewandert ist, gehört zu den Begründern des südafrikanischen Minenaktienmarktes, aus dem in den 80er und 90er Jahren eine Menge gewaltiger englicher Vermögen hervorgegangen ist. Hirsch hat seine Laufbahn als kleiner Angestellter der Firma Werner Beit & Co. begonnen und ist, als er vor 20 Jahren sich aus dem Geschäftsleben zurückzog, einer der reichsten Citymagnaten gewesen.“

Adolph Hirsch wurde am 18. November 1862 in Heppenheim geboren. Schon 1881 wird er 18-jährig als Handelsangestellter in London genannt. 1885 wurde er britischer Bürger. 1885 war er Angestellter bei dem Börsenhändler Joseph & Rosenberg und wird 1888 selbst als Börsenhändler genannt. Er heiratete in Frankfurt am 6. Juli 1897 Georgette Julie Seligman. Am 9. Juli 1922 starb er in Middlesex bei London.

 

 

 

Marktplatz um 1890 mit dem Rathaus rechts und dem Elternhaus der Brüder Hirsch ganz links (Quelle: Heppenheimer Geschichtsverein)

Heinrich Baruch Hirsch wurde am 14. Februar 1872 geboren und folgte seinen Brüdern nach London. Über ihn ist wenig bekannt. Er starb nach 1921.

Die drei Brüder waren die geschäftlich erfolgreichsten Juden, die aus Heppenheim hervorgingen. Ihr Reichtum zeigte sich daran, dass sie das Bankhaus L. Hirsch & Co. gründeten und am Kensington Palace Garden ein Haus bauten oder erwarben. Dies war eine der nobelsten Adressen Großbritanniens. Heute ist das Haus Nr. 10 ein Teil der russischen Botschaft, was seine besondere Lage und seinen Wert unterstreicht. Dass die Bankiers-Familie Hirsch in London sehr vermögend war und sich zu den „besseren Kreisen“ zählte, zeigt sich auch daran, dass zwei ihrer Frauen von John Singer Sargent gemalt wurden, der um die Wende ins 20. Jahrhundert weltweit als der am meisten gefragte, gefeiertste und teuerste US-amerikanische Porträt-Maler galt. Zu seinen Kunden zählten auch amerikanische Präsidenten, Staatsmänner, Personen des englischen Adels, hohe Militärs und reiche Firmenchefs.

Besondere Bedeutung erlangten die drei Brüder als Stifter der Synagoge am Starkenburgweg, die daher auch Hirsch-Synagoge genannt wurde. Mit dem Stiftungsvertrag von 1897 übernahmen sie den Besitz und die Finanzierung der neuen Synagoge sowie die Unterhaltung für 50 Jahre. Schon vorher und danach spendeten sie für die Armen in Heppenheim. Ein Zeitungsbericht von 1897 gibt dafür ein gutes Beispiel:

„Die Chefs der weltbekannten Firma L. Hirsch & Co. in London besuchten wiederum nebst Familien ihr gutes altes Heppenheim und spendeten aufs Neue für die Armen dauernd jährlich 500 Mark. Der Tempel auf dem Vordersberg, dessen Bau dieselben ebenfalls auf eigene Kosten ausführen ließen, war zu Ehren der Anwesenden beflaggt. Bei der Gelegenheit der Vermählung des Herrn A. Hirsch übersandte derselbe an Herrn Bürgermeister Höhn aufs Neue zur sofortigen Verteilung an würdige Arme ohne Unterschied der Konfession, 3000 Mark.“

Am 3. Juli 1908 beschloss der Stadtvorstand die Verleihung der Ehrenbürgerrechte „an die Herren Hirsch in London, welche sich schon öfters durch ihre große Opferwilligkeit und Anhänglichkeit an ihrer Vaterstadt verdient gemacht haben“. In ihrem Dankschreiben, vorgelesen in der öffentlichen Sitzung des Gemeinderats am 8. Dezember 1908 „bringen die Herrn Gebrüder Hirsch zum Ausdruck, daß sie auch fernerhin ihrer alten Heimat mit dem besten Wohlwollen gedenken werden.“ Der 1. Weltkrieg und die spätere Judenverfolgung sorgten dafür, dass die Verbindung zur Heimat abriss.