Prof. Dr. Peter Helmling – Mathematikprofessor aus Erbach
Von Manfred Bräuer
Peter Helmling, geboren am 09. September 1817 in Erbach, dem heutigen Heppenheimer Stadtteil, gestorben in Reval/Estland am 24. April 1901, machte an der Kaiserlichen Universität in Dorpat (heute Tartu/Estland) eine beachtliche akademische Karriere. Er wurde dort Lehrstuhlinhaber, Dekan der Fakultät für Physik und Mathematik und Prorektor.
Peter Helmling wurde als erstes Kind des gleichnamigen Ackersmanns und Hofbesitzers Peter Helmling und dessen erster Ehefrau Margaretha geborene Knapp, verwitwete Bauer in Erbach geboren. Der Vater war innerhalb des damaligen Gemeindeverbundes Vierdorf, bestehend aus den Gemeinden Erbach, Sonderbach, Kirschhausen und Wald-Erlenbach, als Beigeordneter für Erbach aktiv. Dessen jüngerer Bruder Johann Helmling war von 1837 bis 1863 Bürgermeister von Vierdorf mit Sitz in Kirschhausen.
Erbach hatte zum Zeitpunkt Peter Helmlings Geburt weniger als 200 Einwohner und unter 20 Wohngebäuden. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse im frühen 19. Jahrhundert wanderten viele Erbacher nach Nordamerika aus. Peter Helmling ging einen anderen Weg.
Am 12. Juni 1837 wurde der 19½ Jahre alte Bauernsohn an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg immatrikuliert. In den Verzeichnissen der Studierenden ist er vom Sommersemester 1837 bis zum Sommersemester 1843 als Mathematikstudent nachweisbar. Nach dem Wechsel in das baltische Estland wurde Peter Helmling bereits 1844 attestiert, dass er den Grad eines stellvertretenden Hauslehrers erhalten habe. 1846 schloss sich ein Examen für mathematische Wissenschaft in Dorpat an. Im Jahr 1850 wurde Helmling in Heidelberg mit einer Untersuchung „Ueber die Entwicklung des Polynomiums“ zum Dr. phil. promoviert, 1851 erhielt er in Dorpat die Magisterwürde. Ab dem Jahr 1852 war Peter Helmling bis 1854 als etatmäßiger Privatdozent an der Universität Dorpat tätig.
Am 12. Juni 1853 heiratete Peter Helmling Anna Katharina Elisabeth von Wulf (* 1832, † 1888), Tochter des Karl Ernst von Wulf und dessen Ehefrau Elisabeth geborene von Krüdener. Nach aktuellem Forschungsstand hatte das Ehepaar Helmling sechs Kinder.
1854 bis 1859 wurde Peter Helmling als außerordentlicher bzw. stellvertretender ordentlicher Professor geführt. Nach einer erneuten Habilitation zum Dr. math. wurde er 1859 zum ordentlichen Professor für die Reine Mathematik ernannt. Auch in der Universitätsverwaltung machte Helmling „Karriere“: Von 1867 bis 1870 war er Dekan der „Physiko-mathematischen Facultät“ und wurde 1871 Stellvertreter des Prorektors der Universität Dorpat. Er erhielt den Titel „Staatsrath“.
Peter Helmling beschäftigte sich in seinen wissenschaftlichen Arbeiten erfolgreich um abkürzende Methoden für die Berechnung „gewisser Klassen von Integralen, die mit den bekannten Mitteln wegen ihrer Weitläufigkeit unausführbar ist“. Ihm sind zahlreiche Veröffentlichungen über Integrale und Differentialgleichungen zuzuordnen. Im Alter von 70 Jahren wurde er im Jahr 1887 emeritiert.
Seine alte Heimat hatte Peter Helmling nicht vergessen. Dass er diese auch besuchte, zeigt eine Privatanzeige im Verordnungs- und Anzeigeblatt für den damaligen Kreis Heppenheim zeigt: „Allen lieben Verwandten, Freunden und theilnehmenden Bekannten sagt hiermit bei seiner Abreise aus der Heimat ein herzliches Lebewohl Professor Dr. P. Helmling.“ Ein Besuch der Stätte seiner Kindheit und Jugend, bei mehr als 2000 Kilometern Entfernung zwischen seiner Wirkstätte im Estland und dem Dorf Erbach, ist mehr als beachtenswert.
An Peter Helmling erinnert zum einen sein Lebenswerk und zum anderen Erinnerungen von Zeitgenossen. Ludwig von Schwabe (* 1835 in Gießen, † 1908 in Tübingen), Professor für Klassische Philologie und Klassische Archäologie, schreibt in seinen Lebenserinnerungen: „P. Helmling, Professor der Mathematik, ein engerer Landsmann von mir, […] ein kreuzbraver und warmherziger Freund, nur durch seine Kalauer Wortwitze bedrohlich.“
Auch der spätere Chemie-Nobelpreisträger Friedrich Wilhelm Ostwald (* 1853 in Riga, † 1932 in Leipzig) berichtet in seiner Selbstbiografie „Lebenslinien“ über seine Begegnungen mit Professor Helmling: „Von den vielen Zusammenkünften, an denen ich etwa sechs Jahre habe teilnehmen dürfen, ist mir eine besonders in Erinnerung geblieben, wenn auch nicht wegen ihres wissenschaftlichen Inhaltes. […] Im Übrigen war Helmling ein stets lächelnder, beleibter Mann mittlerer Größe mit rundem, kahlen Schädel, runden Backen und Augen, runden Brillengläsern, dabei ein wenig was man in Studentenkreisen ein Sumpfhuhn nennt: dem Alkohol mehr als billig ergeben und sehr anspruchslos in geistiger Beziehung, wenn er am Zechtisch saß. Auf den offiziellen Kommersen, mit denen die Korporationen das Semester begannen oder schlossen, war er ein nie fehlender Gast, der die Sitzung regelmäßig auf folgende Weise eröffnete. Er nahm den Begrüßungsschnaps feierlich entgegen, trank ihn wie üblich mit einem Schwunge aus und sagte befriedigt: »Man wird doch gleich ein anderer Mensch, wenn man einen Schnaps getrunken hat.« Und dann fügte er nach einigen Augenblicken hinzu: »Warum soll der Andere nicht auch einen kriegen?« und ließ sich einen zweiten Schnaps einschenken. …“