Philipp Andes (1776-1829) – Augenarzt und kaiserlich-russischer Ritter in Sankt Peterburg

Von Manfred Bräuer

Der „kaiserlich-russische Hofrath und Ritter, Doctor Medicinae“ Philipp Andes (Schreibweise auch Antes), wohnhaft in Petersburg, wurde am 19.10.1776 in Erbach bei Heppenheim geboren. Sein Vater war der Erbacher Ackersmann, Hubenbesitzer und Achter Johann Wilhelm Andes (* 1738, † 1816). Aus dessen erster, 1765 in Heppenheim geschlossener Ehe mit Maria Magdalena Rickert (* 1744, † 1800) stammten elf Kinder, sechs davon starben in Kindesalter. Das Wohnhaus des Antes’schen Hubengutes stand von Heppenheim aus kommend links am damaligen Dorfeingang (heute Ortsstraße 34). Das Anwesen war das erste von damals neun Hofstätten in Erbach. Das landwirtschaftlich geprägte Dorf hatte Ende des 18. Jahrhunderts weniger als hundert Einwohner.

 

 

 

 

Erwähnung in München

Aus der Zeit vor dem Wechsel nach Russland ist nur wenig über Philipp Andes zu erfahren. „Philipp Andes, aus dem Darmstädtischen“ ist in einer 1804 veröffentlichten Rede „ueber die Entstehung und den Zweck des chyrurgischen Instituts zu München“ erwähnt. Dieser Philipp Andes war einer der talentvollen jungen fähigen Zöglinge dieses in der bayerischen Hauptstadt angesiedelten Instituts, die „sich vorzüglich des Beifalls ihrer Lehrer und der höchsten Unterstützung des durchlauchtigsten Fürsten würdig gemacht“ hatten. Es kann davon ausgegangen werden, dass dieser 1804 in München erwähnte Philipp Andes identisch mit dem Erbacher Bauernsohn und späteren russischen Hofrat und Ritter ist. Er hat also das Handwerk des Chirurgen, welches damals noch streng vom Studium der Medizin getrennt war, erlernt.

Spätestens 1807 siedelte Philipp Andes nach Russland über. Im Dezember 1807 nahm er die russische Staatsbürgerschaft an und erhielt den Titel eines Medizin-Chirurgen der 7. Klasse. 1808 absolvierte er Prüfungen bei der Ärztekammer für „medizinische Wissenschaft ... und im Bereich der Augenkrankheiten“ und erhielt anschließend den Titel eines Arztes und Augenarztes. Seine Anstellungen fand Andes danach bei verschiedenen Behörden und Kliniken in Sankt Petersburg, der damaligen Hauptstadt Russlands. Teilweise war er für mehrere Institutionen gleichzeitig tätig.

Im Januar 1809 wurde er als Arzt in die kaiserliche Theaterdirektion in Sankt Petersburg berufen. 1810 wechselte er zur medizinisch-philanthropischen Gesellschaft, die ihm „die Augenklinik für die Armen“ in Sankt Petersburg anvertraute. Binnen zwei Jahren nahm Andes dort 2.641 Patienten mit Augenerkrankungen auf und führte 219 erfolgreiche Operationen durch. Die Gesellschaft bescheinigte ihm später, dass er „die ihm anvertrauten Aufgaben ... mit besonderer Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit ausführte und sich als anständiger guter, sachkundiger und mitfühlender Arzt zeigte ...“. Ab 1812 trat er zusätzlich den Dienst bei der kaiserlichen Hauptverwaltung für Verkehrswege an.

Am 1. April 1813 wurde Andes der erste Arzt der kaiserlich-russischen Nationalbibliothek. Seine Aufgabe bestand darin, die Bibliotheks-Mitarbeiter zu behandeln. Diese Stelle hatte Andes bis zu seinem Tod inne. Von 1814 bis 1816 war Philipp Andes Leiter der ersten, erst 1806 gegründeten Augenklinik der russischen Hauptstadt. 1816 verließ er den Dienst im Krankenhaus, blieb aber Arzt „für die Behandlung der kranken Armen“. Im April 1819 wurde er „Hauptmedikus“ in der Hauptverwaltung für Verkehrswesen, aus der später ein Ministerium wurde.

Das Wirken Philipp Andes‘ bleib der Obrigkeit nicht verborgen: Im August 1814 erhielt er den Orden des Vladimir 4. Klasse für den Dienst in den Krankenhäusern der medizinisch-philanthropischen Gesellschaft. Mit dieser Verdienstauszeichnung war die Ernennung zum Ritter verbunden. Später wurde ihm auch der Orden der Anna 2. Klasse mit einem Diamantstein verliehen. Philipp „Vasilivich“ Andes starb am 13. Oktober 1829 in Sankt Petersburg. Er hinterließ seine Ehefrau Barbara „Varvara Karlovna“ Andes geborene Kraft. Sie starb am 14. August 1864, ebenfalls in Sankt Petersburg.